Die Schlagzeilen der letzten Tage haben viele Balkonkraftwerk-Besitzer aufgeschreckt: Droht jetzt ein Verbot der kleinen Kraftwerke? Millionen Nutzer und all jene, die mit einer Anschaffung liebäugeln, fragen sich, ob ihre Solargeräte bald nicht mehr erlaubt sein könnten.
Und tatsächlich – das Normungsvorhaben IEC 60364-7-751 der Internationalen Elektrotechnischen Kommission enthält Regelungen, die den Betrieb von Balkonkraftwerken massiv erschweren oder sogar unmöglich machen könnten. Doch bevor Panik aufkommt: In Deutschland gelten IEC-Regeln nicht automatisch.
Verbot von Balkonkraftwerken: Was würde das für Deutschland bedeuten?
Hierzulande ist der VDE (Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik) dafür zuständig, internationale Normen auf die deutschen Gegebenheiten zu übertragen. Genau das passiert gerade: Für die deutsche Spiegelnorm DIN VDE 0100-751 liegt bereits eine Bitte um nationale Ausnahme vor.
Konkret geht es um die von der IEC geforderte Pflicht, Balkonkraftwerke nur über eine eigene Stromleitung anzuschließen.
In Deutschland gibt es seit der VDE V 0100-551-1 (2017) jedoch die Möglichkeit, in bestehende Stromkreise einzuspeisen – solange diese nicht überlastet werden. Die Niederspannungsrichtlinie VDE AR N 4105 (2018) führte hierfür eine Leistungsgrenze von 600 VA (W) ein.
600 oder 800 Watt – was gilt eigentlich?
Mit dem Solarpaket I (2024) hat der Gesetzgeber den Wert auf 800 VA (W) angehoben. Damit zieht Deutschland die Linie zur EU, deren Netzkodex Anlagen ab 800 VA als „signifikant“ einstuft.
Allerdings gilt weiterhin: anerkannte Regeln der Technik – in der Praxis meist VDE-Normen – sind einzuhalten. Da die Anpassung der VDE AR N 4105 noch aussteht und die neue Produktnorm DIN VDE V 0126-95 (die, die 800 VA festschreibt) zwar fertiggestellt ist, aber erst Ende des Jahres veröffentlicht werden soll, gelten theoretisch noch die 600 VA.
In der Praxis aber ist die Anmeldung im Marktstammdatenregister (erfahre hier, welche Daten im MaStR eingetragen werden müssen) bereits auf 800 VA angelegt und es gibt keine technischen Gründe, die dagegen sprechen. Auch die Netzbetreiber sehen hier keinen Handlungsbedarf.
Ein Streitpunkt: Der Schuko-Stecker
Offen bleibt aber das von der IEC geplante Verbot von Standard-Steckverbindungen (Schutzkontakt). Auch in der deutschen DIN VDE 0100-751 taucht dieser Passus im Entwurf noch auf.
Doch: Es läuft ein Einspruchsverfahren, u.a. mit dem Ziel, die Regelung an die neue Produktnorm DIN VDE V 0126-95 anzugleichen.
Diese erlaubt Schutzkontakt-Stecker unter klar definierten Sicherheitsbedingungen. Da nationale Normen widerspruchsfrei sein müssen, stehen die Chancen gut, dass der Einspruch Erfolg hat.
Unser Experte: "Es bleibt spannend"

"Viele internationale Entscheider in der Arbeitsgruppe sind mit dem Thema noch nicht vertraut – und entsprechend skeptisch. Das ist nicht überraschend, denn Deutschland ist hier nun mal Vorreiter. Ich konnte einige Dinge vermitteln und viele offene Fragen beantworten. Daraufhin gab es einige sinnvolle Vorschläge und die Diskussion geht nun innerhalb der IEC weiter. Wie das Ergebnis aussehen wird, ist aber noch unklar – ebenso wie bei der deutschen Spiegelnorm, über die ab Oktober verhandelt wird. Es bleibt spannend", so Christian Ofenheusle, unser Senior Inhouse Consultant, der war am 26. September beim entscheidenden IEC-Meeting dabei gewesen ist.
Fazit: Ein Verbot von Balkonkraftwerken in Deutschland steht aktuell nicht bevor. Vielmehr laufen die Normungsprozesse und Einspruchsverfahren, die voraussichtlich eine praxisnahe Lösung im Sinne der Nutzer bringen werden.
Bis dahin bleibt die Situation jedoch unübersichtlich – und damit ein spannendes Kapitel für alle, die auf Energie aus der Steckdose setzen.
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